Helfer in Uniform – Nicht vergessen: Einsatzkräfte opfern ihre Freizeit

Sie setzen sich für andere ein, auch und vor allem im Notfall: Helfer in Uniform. Ein Blick hinter die Kulissen der Feuerwehr, die weit mehr ist als „Hausmeisterdienst Sankt Florian“. 

Von Daniela Pledl (PNP)

1177-mal gingen im vergangenen Jahr die Piepser im Bereich der Stadtbrandinspektion (siehe Kasten). Feuerwehrler rückten aus, zusätzlich zu 215 Sicherheitswachen, wie sie zum Beispiel im Stadttheater und in der Dreiländerhalle abzuhalten waren. 1177 mal gebrannt hat es aber keineswegs. 58 Prozent der „Ausrückungen“ waren technische Hilfsleistungen (THL). Die „Feuer-“ wird immer mehr zur „Hilfswehr“, oder wie Stadtbrandrat Andreas Dittlmann es nennt: zum „Hausmeisterdienst Sankt Florian“.

Keine Frage: Ist eine Person bei einem Unfall eingeklemmt, läuft Benzin aus, steht ein Keller unter Wasser oder fällt ein Baum auf die Fahrbahn – die Feuerwehr hilft.

„Eine andere Hausnummer aber ist, wenn kleine Asterl auf der Straße liegen und uns die Leute rufen. Jeder Autofahrer, der vorbeifährt, kann die zur Seite ziehen“, sagt Dittlmann. Wird die Wehr gerufen und ihr ein Eimer hingestellt, weil der Schlauch der Waschmaschine geplatzt ist und der Keller drei Zentimeter unter Wasser steht (nach einer wahren Geschichte), ziehen die Ehrenamtlichen frustriert von dannen.

„Viele meinen, dass wir eine Berufsfeuerwehr sind“, erklärt der Stadtbrandrat. „Man darf aber nicht vergessen: Einsatzkräfte opfern ihre Freizeit, stehen mitten in der Nacht auf.“ Das einstige „Was kann ich für die Allgemeinheit tun“ wurde von „Was kann die Allgemeinheit für mich tun“ abgelöst, lässt der 51-Jährige seinem Unmut Lauf.

 

Slide1Das Rathausdach nach Sturm provisorisch vor Regen schützen…                                                         Bäume von der Straße räumen…

 

Immer mehr Professionalität und Ausbildung wird den Feuerwehrlern außerdem abverlangt, allein schon durch neue Antriebsarten der Pkw: „Elektro, Gas, Wasserstoff. Bei einem Unfall müssen wir wissen, wie damit umzugehen ist.“

Die Zahl der Technischen Hilfsleistungen wird auch durch lokal auftretende Stürme und Unwetter mehr. Und durch die Zunahme des Güterverkehrs sowie die damit verbundenen Gefahrguteinsätze (alleine 2018 sechs). Sogar der Anstieg des Altersdurchschnitts der Bevölkerung und die wachsende Zahl der Ein-Personen-Haushalte spielt mit hinein. Dadurch müssen zum Beispiel immer mehr Türöffnungen für den Rettungsdienst durchgeführt werden. Kurzum: Viele Faktoren spielen zusammen. Die Zahl der Einsätze steigt stetig – und zwar unabhängig von den großen Schadensereignissen wie Starkregen, Hochwasser oder Sturm Kolle.

Neben den THL machte 2018 Brände 21 Prozent der Ausrückungen aus. Hinzu kamen weitere 21 Prozent Fehlalarme. Die Rauchmelderpflicht führt zu mehr Einsätzen, weil die Nachbarn aufmerksam werden – auch wenn der angebrannte Topf schon vom Herd gezogen ist, so Dittlmann. Brandmeldeanlagen werden ferner häufig durch Handwerkerarbeiten ausgelöst. Die Zahl der Fehlalarme ist von 211 in 2017 auf 243 in 2018 gestiegen. „Es ist natürlich ärgerlich, wenn man ständig wegen eines Fehlalarms ausrückt, aber wir müssen. Vor allem das Verständnis der Arbeitgeber, die ihre Angestellten extra freistellen, leidet darunter.“

Im Katastrophenfall und mit längerer Vorlaufzeit stehen in Passau viele Freiwillige Feuerwehrler zur Stelle, betont Dittlmann. Aber weil die „Tagesalarmstärke“ – die Feuerwehr ist verpflichtet, nach der Alarmierung durch die Integrierte Leitstelle innerhalb von zehn Minuten am Einsatzort zu sein – immer mehr nachlässt, rückt in Passau untertags mittlerweile auch die sogenannte „Fachwerkstätte“ mit aus.

 

Slide2Gefahrgut am Güterbahnhof am Austritt hindern…                         und schwere Unfälle sind Alltag bei der Feuerwehr. (Fotos: M. Kornexl)

 

„Viele arbeiten nicht mehr so unmittelbar an ihrem Wohnort wie früher oder können nicht so leicht von der Arbeit weg.“ Die Zahl der Aktiven geht außerdem beständig zurück. Zuletzt im Gebiet der Stadtbrandinspektion von 625 in 2017 auf 583 in 2018. Die Feuerwehrjugend zeigt dieselbe Tendenz (127 in 2013, 94 in 2018). „Viele Stadträte haben noch nicht verstanden, dass die Feuerwehr eine kommunale Einrichtung ist“, sagt der Stadtbrandrat. „Die Feuerwehr ist permanent zur Stelle, muss es letztlich auch.“ Er fordert, den Dienst in der Feuerwehr attraktiver zu machen, mit Vergünstigungen und zum Beispiel kostenlosen Nahverkehr. Die Gegenargumente, dass die Feuerwehr damit anderen Gruppierungen gegenüber bevorzugt werde, lässt er nicht gelten. „Brandschutz und technische Hilfsleistung ist Aufgabe jeder Kommune. Was hilft es, in die Geräte zu investieren, wenn die Leute fehlen?“ Für eine richtige Berufsfeuerwehr bräuchte es 100000 Einwohner. In ganz Niederbayern gibt es derzeit keine.

Theoretisch, das hat Dittlmann sich ausgerechnet, müsste man in Passau, wenn die Aktiven tagsüber einmal ausgehen, zwei Wachen einrichten. Nur über den Tag besetzt würde das Personalkosten von zweieinhalb Millionen Euro im Jahr für die Stadt bedeuten. „Das kann sich die Kommunalpolitik sparen, wenn sie rechtzeitig entgegensteuert.“

Immerhin ist es gesetzlich mittlerweile erleichtert worden, Kinderfeuerwehren zu betreiben. Die Zahl der Kinder im Bereich der Stadtbrandinspektion hat sich von 27 (2013) auf 60 (2018) gesteigert und könnte weiter steigen, wenn sich in den Wehren entsprechende Betreuer finden. „Es ist wichtig, dass man die Kinder ,erwischt‘, bevor sie im Freizeitstress mit Rudern, Eishockey und Co. beschäftigt sind“, weiß der Stadtbrandrat. In Konsequenz fordert er aber auch von der Landespolitik, dass die Jungen früher ausrücken dürfen, ab 16 statt ab 18. Weil sie sonst zwar alle Ausbildungen haben, aber jahrelang zum Nichtstun verdammt sind – und wieder austreten.

Von drei Mitgliedern der Kinderwehr kommt einer – Pi mal Daumen – in die Jugendgruppe. Einer von dreien aus dieser landet letztlich bei den Aktiven. Eine mühsame Mitgliedergewinnung. „Auch der demographische Wandel ist angekommen“, sagt Dittlmann. „Obwohl wir es hier in Passau noch gut haben und viele Studenten, die zuziehen, die Lücken füllen.“

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